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Zweite Umbettung Padre Pios in die neue Krypta

Umbettung der Reliquien des Heiligen in die Unterkirche der nach ihm benannten Basilika. Erzbischof Castoro war Hauptzelebrant der Feierlichkeiten im Beisein aller Ordensbrüder und  der Kapuzinerprovinz und nahezu zehntausend Gläubigen.

Der 19. April 2010 war ein ereignisreicher und bewegender Tag. Tausende von Gläubigen kamen nach San Giovanni Rotondo, um einen historischen Augenblick mitzuerleben: die feierliche Umbettung der Reliquien des heiligen Pio von Pietrelcina. Tags zuvor um Mitternacht hatte Pater Pio, dessen sterbliche Überreste in einem wunderbaren Sarkophag, ein Werk des Goldschmieds Goudji, ruhen, nach beinahe 42 Jahren den Ort seiner Beisetzung verlassen, um einen Tag lang vor dem Presbyterium der Kirche Santa Maria delle Grazie zu verweilen, an genau derselben Stelle, wo sein Leichnam im September 1968 wenige Stunden nach seinem Tod aufgebahrt worden war und Zehntausende von Gläubigen fast vier Tage lang vorbeizogen, um Abschied zu nehmen.

Die Umbettung war erst wenige Tage vor dem Ereignis von Msgr. Michele Castoro, Erzbischof von Manfredonia-ViesteSan Giovanni Rotondo im Verlauf einer Pressekonferenz bekannt gegeben worden.

„Sie wurde beschlossen – sagte er -unter Beachtung des traditionellen Reliquienkults, der seit den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte die Devotion der Gläubigen auszeichnet, und nach Erhalt der schriftlichen Zustimmung der Kongregation für die Heiligsprechungen.”

Den doppelten Grund für die Datumswahl erklärte der Provinzialminister der Ordensprovinz der Kapuziner „Sant’Angelo e Padre Pio” Br. Aldo Broccato: „In erster Linie, um wieder die Nähe zu Papst Benedikt XVI. zu spüren am fünften Jahrestag seiner Wahl zum Oberhirten der Universellen Kirche und ihm unsere kindliche Verehrung zum Ausdruck zu bringen und unseren bedingungslosen Gehorsam zu erneuern. Zweitens, um zur Eröffnung des  Provinzkapitels, das für die Wahl der neuen Provinzoberen einberufen wurde, alle Mitbrüder dieser von Pater Pio geliebten Ordensprovinz um ihn zu versammeln.”

Den Tag der Umbettung mit dem Provinzkapitel zusammenzulegen, gab allen Mitbrüdern des Heiligen die Möglichkeit, ihm nahe zu sein. Zu diesem historischen Ereignis kam aus Rom Br. Felice Cangelosi, der Generalvikar des Kapuzinerordens, in Vertretung des Generals Br. Mauro Jöhri, um den Vorsitz der Feierlichkeiten zu führen.

Nach Eröffnung der Kapitularversammlung bei verschlossenen Türen zelebrierte Msgr. Michele Castoro die hora nona, die „neunte Stunde”, die im Stundengebet den Tod Christi bezeichnet. Nach den einleitenden Begrüßungsworten erklärte Br. Felice: „Es ist schön und bedeutungsvoll, dass die Feier der Umbettung mit der offiziellen Eröffnung des Ordentlichen Kapitels der Kapuzinerprovinz „Sant’Angelo e Padre Pio” zusammenfällt.

Es ist das 126. Kapitel dieser ruhmreichen Provinz, die auf eine lange Geschichte, eine reiche Tradition und Spiritualität zurückblicken kann. Ein Kapitel, das gerade wegen dieser gleichzeitigen Umbettung der sterblichen Überreste von Pater Pio in der Geschichte dieser Provinz einzigartig bleiben wird.” Ergriffenheit lag im Raum und die Blicke der versammelten Mitbrüder gingen unweigerlich zu dem Sarkophag mit den sterblichen Überresten des Heiligen. „Seine Reliquien werden unserer liebevollen Verehrung nicht entzogen”, unterstrich Br. Felice, „im Gegenteil! An diesem würdigeren Ort, wo alles von der königlichen Hoheit Christi spricht, auf die unser verehrter Mitbruder seine geistigen Kinder im Laufe seines ganzen irdischen Lebens hin verwiesen hat, werden sie noch mehr zur Quelle der Evangelisation und des geistigen Wachstums”.

Um ca. 16.30 Uhr befahl der Erzbischof nach einem kurzen einleitenden Gebet: „Beginnen wir mit der Umbettung des Schreins, welcher die Reliquien des hl. Pio von Pietrelcina enthält, in die Kirche, die seinen Namen trägt.” Als der Sarg aus der Kirche „Santa Maria delle Grazie” getragen wurde, brachen die Gläubigen, die schon seit Stunden den Platz davor füllten, bei seinem Anblick in freudigen Applaus, in Zurufe und Gebete aus.

Abwechselnd begleiteten die Kapuzinerbrüder in Gruppen zu je zwölf den Schrein, der auf einem eigens dafür hergestellten und mit verschiedenartigem Stoff bespannten Karren gebettet war, in Anlehnung an die Trage, auf der die „Söhne” des hl. Franziskus seinen Leichnam von der Portiunkula, wo er starb, in die Kirche San Giorgio geleiteten, wo er seine erste Begräbnisstätte erhielt. An der Spitze des kleinen Trupps schritten der Rektor der Wallfahrtsstätte, Br. Francesco Di Leo, und der Guardian der Klosterfamilie, Br. Carlo Laborde. Die zehntausend Pilger längs des Weges konnten ihre Gefühle kaum zurückhalten, als der silberne Sarg über den großen Kirchplatz der neuen Basilika zog.
Um 17.00 Uhr hielt die Prozession Einzug in die neue Kirche mit dem Namen des heiligen Kapuziners. In der Oberkirche hielt Msgr. Castoro, der den liturgischen Zug anführte, eine kurze Rede:

„Heute, wo wir hier um die Reliquien des hl. Pio von Pietreldna versammelt und in Gedanken mit den „Gebetsgruppen” in der ganzen Welt vereint sind, sind wir aufgerufen, unseren Glaubenseifer zu erneuern und seiner geistigen Vaterschaft immer würdiger zu werden.” Br. Felice Cangelosi und Br. Aldo Broccato begleiteten dann zusammen mit den Beiräten der Provinz den Sarg auf dem letzten Stück den Korridor hinunter in die Unterkirche mit den herrlichen Mosaiken von Pater Marko Ivan Rupnik SJ, ein Theologe und Künstler von internationalem Ruf, der zu diesem Ereignis anwesend sein wollte, auch wenn er danach sofort zur Beerdigung seines Lehrers, Kardinal Tomäs Spidlik, nach Rom zurückkehren musste.

Die sichtliche Ergriffenheit aller wurde zu Rührung, als der Sarkophag über die Schwelle zur Unterkirche, das „Himmelreich”, getragen und in die zentrale Grundsäule gestellt wurde. Es folgte die Eucharistiefeier des Erzbischofs, der in seiner Predigt u. a. sagte:

„Wir befinden uns in einem Stück Paradies, nicht nur wegen der Schönheit der Mosaiken, die eine hohe Form der Kunst darstellen, sondern weil alles hier von Jesus spricht! Mehr noch, hier ist es Jesus selbst, der zu uns spricht, indem er uns anhand der Bilder wieder sein Evangelium vor Augen führt. An diesem Ort spüren wir einen Vorgeschmack des Himmlischen Jerusalems.”

Seine Betrachtung wird zur Mahnung: „Wir haben Pater Pio eine neue Begräbnisstätte errichten wollen, aber wir möchten ihm auch versprechen, dass wir selbst von nun an als neue Menschen leben wollen, ein neues Leben, mit neuen Vorsätzen beginnen wollen, um mit neuen Augen die Bedürfnisse der Mitmenschen zu ergründen nach dem neuen Gebot der Liebe, bis dass wir ein neues Lied singen können, das Lied der Erlösten.” Von jeher haben die Heiligen „ihre Fähigkeit, den Nächsten auf immer neue Weise zu lieben, aus ihrer Begegnung mit dem Eucharistischen Herrn” gewonnen. Eine Begegnung, die „gerade im Dienst an den anderen verwirklicht und vertieft wurde” Denn die liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten „sind untrennbar miteinander verbunden, sind ein einziges Gebot.

Beide leben jedoch aus der Liebe, die von Gott ausgeht, der uns zuerst geliebt hat.” Dieses Zitat aus der Enzyklika Deus caritas est von Benedikt XVI. war die tragende Achse der Homilie von Msgr. Castoro. Dem Heiligen Vater drückte der Erzbischof außerdem „Solidarität und Nähe” aus, wobei er seine ergebene Zuneigung und tiefe innere Gemeinschaft bekräftigte und Gebete und Dankbarkeit versicherte für seine „erleuchtete Amtsführung und sein kristallines Zeugnis.”

Nach der Heiligenlitanei wurde die Stelle, wo die Reliquien von Pater Pio ab nun aufbewahrt werden, von Msgr. Castoro, unter Mithilfe des Provinzialministers und des Generalvikars, zu den Noten von „0 santa cittä di Gerusalemme” verschlossen.

Es folgte der Ritus der Altarweihe: „Die Umbettung selbst gewinnt durch die Altarweihe an Wert, so wie das neue Grab von Pater Pio Bedeutung gewinnt mit und aus dem Leben Christi, wovon diese strahlende Kiypta auf beredte Weise zu uns spricht”, hatte der Oberhirte der sipontinischen Erzdiözese kurz zuvor gesagt. „Der Altar erinnert uns daran fügte er hinzu, dass die Kirche aus dem Felsen Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, geboren wird und sich auf ihm aufbaut und dass sie, das Volk der Getauften, aus der offenen Seitenwunde Christi, dem Spalt im Felsen, Leben und Nahrung erhält”.

Zum Abschluss der Feier zitierte Br. Aldo Broccato eine Stelle aus dem „Lobpreis Gottes” von Franz von Assisi, um zu beweisen, dass Meister Rupnik und seine Schüler in der Unterkirche „mit der Sprache der Mosaikkunst” dargestellt haben, „was bereits der hL Franziskus beschreibt”. „Erst mit dieser Feier  endete der Provinzialminister -, mit der Altarweihe und der Umbettung der Reliquien des hl. Pio in den zentralen Grundpfeiler des Gebäudes, können wir sagen, dass die Einweihung dieser Kirche vollendet wurde. Möge dieser Ort von nun an das Zeichen jener Krone sein, die Gott ihm als seinem treuen Diener vorbehalten hat: das neue Leben im Auferstandenen Christus, der lebt und herrscht in Ewigkeit.

WAS BLEIBT NACH DER UMBETTUNG ?  von Br. Francesco D. Colacelli

Wieder haben wir einen „Höhepunkt” erlebt, wieder einen Tag, der in die Geschichte eingehen wird. Nun sind die Scheinwerfer erloschen. Die Kameras der großen Fernsehsender haben die Jagd nach neuen Schlagzeilen aufgenommen, und Ströme von Druckerschwärze erzählen wieder andere Geschichten auf den Seiten von Tageszeitungen oder Illustrierten.

Was aber bleibt jetzt, in San Giovanni Rotondo, von der Umbettung des Leichnams von Pater Pio aus der alten Krypta der Kirche „Santa Maria delle Grazie” in die neue Unterkirche der Basilika, die seinen Namen trägt?

Es bleibt Pater Pio, der seine Mission fortführen wird und weiter für die geistige Gesundung einer Menschheit eintritt, die immer mehr an einer die Substanz zerstörenden Krankheit leidet.

Es bleibt seine Einladung, die er kurz vor seinem Tod ausgesprochen und einem Testament gleich hinterlassen hat: „Ich werde hier sein, unter euch, mehr noch als zuvor. Kommt zu meinem Grab. Früher musstet ihr warten, wenn ihr mit mir sprechen wolltet. Jetzt, dort, werde ich es sein, der auf euch wartet. Kommt zu meinem Grab, und ihr werdet mehr empfangen als früher.”

Es bleibt ein Ort, der uns ruft, der uns in seinen Bann zieht, der evangelisiert. Die Unterkirche von „San Pio da Pietrelcina” wurde noch am gleichen Abend der Umbettung, am 19. April, zum Anzugspunkt für alle, die Pater Pio verehren. Sie suchen und finden ihn genauso wie früher, und können sogar noch leichter und näher zu ihm gelangen. Sie können sogar den Sarkophag, in dem sein Leichnam ruht, berühren. Aber das ist nicht das Wichtigste. Das ist nicht der Grund, weshalb wir Kapuzinerminderbrüder in voller Übereinstimmung mit unserem Erzbischof die Umbettung beschlossen haben, wohl wissend, damit die nostalgischen Gefühle derer zu verletzen, die ihre Liebe mehr mit Orten als mit Personen verbinden.

Denn wir sehen in Pater Pio nicht so sehr den Wundertäter oder Fürsprecher, für uns sind nicht die Stigmata oder andere übernatürliche „Charismen” wichtig, denn der Herr hat sie ihm nur gegeben, um seine Worte und das Beispiel seines Lebens zu beglaubigen. Was uns interessiert, ist die Botschaft, die unser heiliger Mitbruder uns und allen Menschen hinterlassen hat. Eine Botschaft, die mit der von Christus erhaltenen Sendung übereinstimmt:

„Heilige dich und heilige andere.”

„Das war immer seine erste Sorge, sein priesterlicher und väterlicher Wunsch: dass die Menschen zu Gott zurückkehren, dass sie Seine Barmherzigkeit erfahren und innerlich erneuert die Schönheit und die Freude wiederentdecken, Christen zu sein, in Gemeinschaft mit Jesus zu leben, seiner Kirche anzugehören und das Evangelium in die Praxis umzusetzen.” So sagte der Papst bei seinem Pastoralbesuch in San Giovanni Rotondo, und unser Erzbischof erinnerte uns daran bei der feierlichen Umbettung, als der Sarg in der Oberkirche von „San Pio” stand.

Jetzt, nachdem er sich selbst durch ein Leben nach dem Evangelium geheiligt hat, will Pater Pio weiter die anderen zur Heiligkeit führen, und so lädt er, wie er es schon zu Lebzeiten tat, all jene, die die Serpentinen des Gargano heraufkommen, ein, den Blick nicht als erstes auf ihn zu richten, sondern auf Christus und sein Evangelium, das so wunderbar mit den Mosaiken von Pater Marko Ivan Rupnik dargestellt wird.

Alles geht vorbei. Nur Christus und das Beispiel derer, die seine Zeugen sind, bleiben. Im Leben und nach dem Tod. Am Ende dieser Überlegung sei mir ein Wort in eigener Sache gestattet. Am 22. April haben meine Mitbrüder mich zu ihrem Provinzialminister gewählt. Im Bewusstsein meiner menschlichen Grenzen habe ich das, was mir der Wille Gottes zu sein schien, angenommen. Um des Einklangs und der Zuneigung willen, die in den sieben miteinander verbrachten Jahren entstanden sind, bitte ich Sie, liebe Leser, um ihr Gebet, damit der Herr jede meiner Handlungen in dem neuen Amt erleuchten möge, zum Heil der Seelen, der Mitbrüder und der ganzen Kapuzinerprovinz.