Der Heilige Gabriel von der schmerzhaften Mutter
Der „Heilige Gabriel von der schmerzhaften Mutter“:
Der Heilige Gabriel – mit bürgerlichem Namen Francesco Possenti – spürte, wie sich die Seele erhebt und mit Freude erfüllt, als er zwischen den Gipfeln und Wiesen des Gran Sasso (er verbrachte hier die letzten beiden Jahre vor seinem frühen Tod mit 24 Jahren) seine Spaziergänge machte und mit seinen Augen die Schönheit Gottes erforschte. Während seiner Wanderungen meditierte er über die Geheimnisse und Fragen unseres Lebens, auch wie so viele von uns. Vor allem auch die Jugend stellt sich diese Fragen, bevor sie von den weltlichen Vorbildern vom natürlichen Werdegang und von dem, was unsere wahre Natur für uns bereithält und vor welche Entscheidungen sie uns stellt, abgelenkt wird…
Das ist es, was der Heilige Gabriel am meisten von allem fürchtete: die weltlichen Versuchungen, die er verurteilte als Nutzlosigkeiten, zu nichts zu gebrauchen, vorübergehend, sterblich und also auch endlich und nicht etwa immerwährend so wie die Ewigkeit, als deren Teil er sich betrachtete.
Im Alter von 4 Jahren wurde er Waise, und so fand er Trost in der Figur der Jungfrau Maria, zu der er sich flüchtete und in der er den Schutz suchte, den ihm seine verstorbene Mutter nicht mehr geben konnte.
Warum „Gabriel von der schmerzhaften Mutter“? Nicht, dass ihn der Schmerz an sich berührt hätte, wenngleich der Schmerz von Maria dramatisch und herzzerreißend sein musste, als sie ihren Sohn am Kreuz wie einen Verbrecher sterben sah. Es war eher der Schmerz seiner eigenen Ohnmacht angesichts des allgegenwärtigen Verrats an der Liebe durch die Menschen, in dem schon kommende noch dramatischere Entwicklungen der Menscheit absehbar waren. In der Figur der Madonna fand Gabriel nicht nur Trost, sondern auch praktische Antworten. Der Tod trat oft in sein Leben: zuerst seine Mutter, dann sein Bruder, seine Schwester… sie alle starben früh und hinterließen große Trauer. Dann verpasste ihn nur knapp eine verirrte Gewehrkugel, er wurde von einem Pferd in die Brust getreten und litt an einer wiederkehrenden Erkrankung der Atemwege – all das brachte ihn zum Nachdenken.
Trotz allem war er von starker, offener und fröhlicher Natur. Eine Führungspersönlichkeit, mitreißend und integrativ, er spielte Theater und lebte seine Talente aus – sie nannten in den Tänzer. Und doch hat er vielleicht tief in seinem Innern schon gespürt, dass sein Leben schnell einem frühen Ende zueilt, dass all dies nutzlos war.
Hier liegt der Grund für den starken Antrieb, seine Seele zu retten, sich entschieden und aus freien Stücken auf die Suche nach der Perfektion zu machen, um sich dann so Gott, an dessen Existenz er fest glaubte, präsentieren zu können: perfekt, trotz seines jugendlichen Alters. Aus diesem Grunde wurden Respekt, Gehorsam und protestfreie Demut zu Prinzipien seines Herzens, in dem nur Jesus, Maria und der ewige Vater als einziger Herrscher, der niemals verrät, regieren konnten.
So suchte er, sich eine innere Reinheit zu bewahren. Er verliebte sich in die fortwährende Suche nach der Perfektion, die er mit Spontaneität und Natürlichkeit weitertrieb, in Freude über jedes Opfer, das ihn seinem Ziel näher brachte. Dieses sein Leben war in dem Sinne weltfern, als dass er nicht mit dem Strom schwamm. Es bedeutete aber auch einen Kampf, diese umbefleckte Perfektion zu erreichen. Es geht dabei nicht darum, eine bestimmte Form zu wahren, sondern jede Bequemlichkeit, die die Entwicklung der Spiritualität behindert, zu überwinden.
Dann jedoch, durch übernatürliche Intervention (und wie sehr man auch darüber nachdenken will, die Tatsache bleibt übernatürlich), drückt sich bei der Exhumierung seines Körpers ein höherer Wille aus: sieben Wunder, sieben Heilungen an einem Tag nach dreißig Jahren in der Gruft, gefolgt von vielen anderen, die sich gar nicht mehr zählen lassen…
Biografie:
Der „Heilige Gabriel von der schmerzhaften Mutter“ kommt am 1. August 1838 in Assisi zur Welt und wird am selben Abend in der Kathedrale von San Rufino getauft – im selben Taufbecken, in dem auch der hl. Franziskus, dessen Namen er tragen wird, getauft wurde.
Schon früh lernte er die Unbillen des Lebens kennen, nämlich als er vierjährig seine Mutter sterben sah. In der Zwischenzeit verlässt sein Vater, ein Regierender des päpstlichen Staates, Assisi, um mit der Familie in die prestigeträchtige Stadt Spoleto (Provinz Perugia) zu ziehen. Hier verbringt Gabriele seine Kindheit und Jugend bis zum achzehnten Jahr. Er wächst zu einem willensstarken und lebhaften Kind heran, das mit seinen Geschwistern in den großen Sälen des Palastes herumtollt. Er lernt zu beten, bereitet aber seinem Vater auch einige Kopfschmerzen, vor allem wenn er versuchte, die Unbändigkeit seines Sohns zu kontrollieren. Er zeigte sich auch mitfühlend, vor allem mit den Armen. Er ließ sich oft, gekleidet nach der neuesten Mode, in den Salons der Stadt sehen.
Er bekam die Beinamen „Tänzer“ oder auch „Galan“, allerdings ging er keine moralischen Kompromisse ein. Unter seinen eleganten Kleidern drückte manchmal der Bußgürtel. Mit seiner Ausstrahlung und dem ansprechenden Äußeren gefiel er vor allem den jungen Frauen in Spoleto.
Dann überstürzen sich die Ereignisse; Gevatter Tod besucht die große Familie oft und es gibt eine Reihe von Begräbnissen, unter anderen auch das der Lieblingsschwester Luisa. Und so hält ein altes Vorhaben von Gabriele wieder in seinem Kopf Einzug: nämlich sich Gott ganz zu weihen und ein religiöses Leben zu führen. Er hatte dies schon einmal im Alter von 12 Jahren gelobt, als ihn eine Erkrankung der Atemwege beinahe das in den Erstickungstod geführt hatte.
Bereits 15 Tage später beginnt er das Noviziat bei den Passionisten in Morrovalle in der Provinz Macerata. Er ist jetzt achzehneinhalb Jahre alt. Seine Entscheidung für das religiöse Leben ist radikal und irreversibel. Er erklimmt schnell und ohne großen Aufhebens die Leiter zum heiligen Leben, und er tut dies durch ein eher einfaches Leben mit den Heldentaten des Alltags und der aufopfernden Hingabe für die Madonna der Schmerzen.
Die letzten zwei Jahre verbringt er im Konvent der Passionisten am Fuße des Gran Sasso (Bergmassiv in den Abruzzen bei Teramo – Anm. d. Ü.). Obwohl er an Tuberkulose erkrankte, hört er nicht auf, weiterhin das übliche unbequeme Leben eines Ordensmanns zu führen und bestand darauf, zur heiligen Messe gebracht zu werden. Seine Fröhlichkeit erhält er ebenso aufrecht, eine Fröhlichkeit, die seine Mitbrüder so sehr anzog, dass sie ihn ständig am Krankenbett besuchten. Tatsächlich gilt er heute auch als der Heilige der Freude. Noch bevor es zur Priesterweihe kommt, stirbt Gabriele am Morgen des 27. Februar 1862. Er wurde nur 24 Jahre alt.