Telefon: 0174 8883111
Kettelerstraße 7 84503 Altötting
Close

Die Wunden Padre Pios

Ein Vorwort:

Wie bösartig und verleumderisch heutzutage manche Menschen sein können gegenüber Tatsachen und Wundern, die mit dem christlichen Glauben zu tun haben, zeigt ein Artikel in einer Münchner Zeitung vom 7.11.07 mit dem Titel: „Pater Pio, heiliger Scharlatan”.

Da wird verwiesen auf den Historiker Sergio Luzzatto, der an der Universität Turin moderne Geschichte lehrt und sich eingehend mit Pio beschäftigt hat. Dieser Historiker wirft Pater Pio Betrug und Schwindel vor. Laut diesem Artikel rütteln Luzzattos brisante Entdeckungen an den Grundfesten des populären Katholizismus. Was geschah daraufhin?

In ganz Italien wurden innerhalb weniger Tage in Presse und TV die Behauptungen des obigen Historikers, Sergio Luzzatto, eindeutig widerlegt. Und damit war der Fall geklärt.

Warum geschieht das bei uns in Deutschland nicht? Ich vermute, dass es in unserer säkularisierten Welt an Menschen und gerade auch an Journalisten fehlt, die den Mut haben, für Gott und seine Wahrheit den Kopf hinzuhalten.

Josef Schinagl, Kanonikus
Maximilianstraße 6
84028 Landshut

DR. EZIO FULCHERI, PROF. DER ANATOMIE UND PATHOLOGIE, erläuterte die Anatomie und die Physiologie der Hand und kam zu dem Schluss, dass die Stigmata von Pater Pio wissenschaftlich nicht erklärbar sind. ( siehe Bild ! )

Es sollte eine wissenschaftliche Tagung auf hohem Niveau sein, ohne Vorurteile oder vorgefertigte Thesen, eine offene und dokumentierte Konfrontation über das, was objektiv gesehen, zumindest für die Medien, das außergewöhnlichste Phänomen im Leben von Pater Pio war, die Stigmata.

Das Hauptthema der Tagung, die vom 17. bis zum 20. September 2009 in San Giovanni Rotondo stattfand, erklärte bereits sowohl das spezifische Thema, “die körperliche Stigmatisation”, als auch die präzisen Bereiche der Untersuchungen und Überlegungen, die “Phänomenologie und Spiritualität”. Es sollte also versucht werden, ausgehend vom nachweisbaren, messbaren, sichtbaren körperlichen Phänomen, das Thema sowohl im Hinblick auf den Bereich des Phänomens als auch auf den breiteren und gleichzeitig, komplexeren der Theologie und der Spiritualität zu vertiefen.

Die Referenten, jeder eine anerkannte Kapazität auf seinem Gebiet, haben an Hand der gewaltigen Dokumentation über die Stigmata von Pater Pio und der nicht weniger umfangreichen wissenschaftlichen Lektüre über diese Art von körperlichen Phänomenen nicht so sehr versucht, definitive und absolute Schlußfolgerungen zu ziehen, als vielmehr den unabdingbaren Dialog zwischen Wissenschaft und Glauben, Verstand und Geheimnis zu bereichern und zu erweitern, wissend, dass nur dieser Weg die Möglichkeit gibt, auch die verborgensten Furchen der menschlichen Natur, in deren Tiefen sich Faktoren kultureller, pathologischer, psychischer und körperlicher Art miteinander verstricken und einander überlappen, zu erhellen.

Bevor ich versuche, die drei programmreichen Tage des Kongresses auf diesen Seiten, die normalerweise für eine andere Art von Sprache und Inhalt verwendet werden, so gut als möglich zusammenzufassen, will ich noch auf die lebhafte Teilnahme des Publikums hinweisen, das zwar nie so zahlreich war, wie die Thematik und die Vorträge es verdient hätten, dafür aber immer aufmerksam und lebhaft beteiligt bei der Diskussion mit den verschiedenen Spezialisten.

Die „Vertreter der Wissenschaft” (Prof. Ezio Fulcheri und Prof. Alessandro Meluzzi) gingen bei ihren Vorträgen von den bisher durch Forschung und empirische Beobachtung erzielten Ergebnissen auf dem breiten und komplexen Gebiet jener psychosomatischen Phänomene aus, die bis heute keine Erklärung finden, die mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar wäre.

Dr. Fulcheri, Professor für Anatomie und Pathologie an der Universität Genua, erläuterte die komplizierte und einzigartige Struktur der menschlichen Hand und dann die Probleme einer verletzten Hand und gab in aller Deutlichkeit die “Unfähigkeit” und „Inkompetenz” der Wissenschaft zu, mit ihren Mitteln und ihren Gesetzen erklären zu wollen, was sich 50 Jahre lang in den Händen von Pater Pio zugetragen hat.

Die Ethik der Grenzen lag auch dem leidenschaftlichen und höchst gelehrten Vortrag von Prof. Meluzzi zu Grunde, fortwährend im Gleichgewicht zwischen der Strenge einer Wissenschaft, für die es nichts außerhalb der Naturgesetze gibt, mit welchen früher oder später alles erklärt werden kann, sowie der Einmaligkeit des Menschen, der im Innersten mit dem Siegel des Göttlichen und des Jenseitigen gezeichnet ist. In dieser suggestiven Dialektik gibt es praktisch keine Grenze zwischen Natur und Über-Natur, denn auch das Geheimnis offenbart sich immer mittels zutiefst menschlicher und konkreter Kategorien, Sprachen und Zeichen. Das beste Beispiel, sagte Prof. Meluzzi, um auch die vielen und verschiedenen außergewöhnlichen mystischen Phänomene zu verstehen, ist das Fleischgewordene Wort Gottes, wo das Menschliche und Göttliche zwar verschieden, aber untrennbar sind. Kurz gesagt, der Glaube ist unser „drittes Auge”, das uns erlaubt, weiter zu blicken, ohne notwendigerweise die Bedeutung dessen, was von den Sinnen wahrgenommen wird, zu übergehen oder zu minimisieren. Lediglich die Offenbarung erlaubt dem Intellekt, so gut als möglich das „Geheimnis” zu verstehen, ohne deshalb auf seine Materialität und Konkretheit zu verzichten.

Die „Vertreter des Glaubens” (Br. Luciano Lotti, Br. Vmcenzo Criscuolo, beide Kapuziner, und Don Giancarlo Borrelli) haben ihrerseits versucht, Pater Pio und seine Wundmale zu erklären, wobei sie mit wissenschaftlicher Strenge und von vielen Dokumenten gestützt, die Bereiche und die Sprache der Theologie, der Heiligen Schrift, der Geschichte und der Mystik verwendeten.

Natürlich gab es zuweilen Übergriffe der einen in den Bereich der anderen, auch weil es objektiv gesehen schwierig, wenn nicht unmöglich ist, das, was im Menschen praktisch ein „unentwirrbares Ganzes” ist, das die Person in jedem Bereich (Psyche, Körper, Geist, Umwelt, Religion…) umfaßt, absolut getrennt zu analysieren.

Pater Cristoforo Bove, Referent im Heiligsprechungsprozeß von Pater Pio und deshalb einer der besten Kenner über das Leben und die Spiritualität des Heiligen, hat die Stigmata innerhalb der ungeheuer großen menschlichen und spirituellen Erfahrung von Pater Pio gewissermaßen zusammengefasst und sie als eine „Umwälzung” im Körper und der Psyche von Pater Pio bezeichnet.

Die Begegnung mit Gott, mit dem Absoluten, und daher das Sich-Versenken des stigmatisierten Heiligen in die erschreckende, leuchtende Tiefe des göttlichen Geheimnisses haben aus seinem Inneren heraus jene körperlichen Zeichen erzeugt, die nichts anderes tun als in dramatischer Weise auf das Herz seines ganzen spirituellen Weges hinzuweisen: die absolute Zentralität des Geheimnisses Gottes, in der Begegnung, Betrachtung und Angleichung an Christus den Gekreuzigten. Die Stigmata sind laut Pater Bove lediglich „Begleiterscheinungen”, die von einem Menschen sprechen, dessen Leben infolge der tiefen und unbeschreiblichen Erfahrung mit dem Absoluten in jeder Hinsicht aus den Fugen geraten und „umgewälzt” ist.

Deshalb die dringende Aufforderung von Pater Bove, über die „Zeichen” hinaus zu blicken und sich eingehend in das Studium der Person von Pater Pio zu versenken, vor allem mittels seiner Briefe, um die einzigartige Größe seiner Spiritualität und die blendende Leuchtkraft seiner Botschaft zu erfassen.

Die nächsten Redner im Kongress über die Stigmata von Pater Pio waren Don Antonio Pitta, Bibelforscher und Dozent an der päpstlichen Lateran-Universität, sowie Msgr. Yannis Spiteris, Kapuziner, Erzbischof von Korfu und Experte auf dem Gebiet der Theologie und Spiritualität des christlichen Orients.

Ersterer zog einen neuen und besonders ansprechenden Vergleich zwischen Pater Pio und der Theologie des Apostels Paulus. In den Briefen des heiligen Kapuziners, besonders denen an seine geistigen Töchter, entdeckt man die Linien einer Christuszentrierten, kirchlichen Spiritualität, die typisch für Paulus ist, dessen Schriften auch die am meisten zitierten in den Briefen von Pater Pio sind.

Msgr. Spiteris dagegen präsentierte eine Interpretation der Stigmata des verehrten Mitbruders gemäß der spirituellen Auffassung seiner Kultur. In der orthodoxen Kirche gibt es keine Stigmatisierten wie in der westlichen Kirche, jedoch können die Gedanken der Kirchenväter über das ruhmreiche Kreuz Christi und über seine Wundmale als kostbare und leuchtende Edelsteine auch auf die schmerzhafteste westliche Auffassung von Theologie und Spiritualität ein neues Licht werfen. Christus trägt die Wundmale auch nach der Auferstehung weiter, und jeder Getaufte ist dazu aufgerufen, Christus gleich zu werden mit seinem ganzen Wesen, mit Seele und Körper. Die Überlegungen der Kirchenväter, wie der hl. Gregor von Nyssa, oder einiger Theologen, wie Nicolas Cabasilas, beschreiben diesen inneren Prozess der Gottgleichwerdung des Menschen, indem sie Ausdrücke aus dem Bereich der Mystik benutzen wie den „Lichthof”, der den christusgleichen Menschen umgibt, oder die „Feuerpfeile”, die in die Tiefe der Seele dringen und die „Liebeswunde” oder „Herzwunde” hervorrufen.

So wie die ruhmreichen Wunden des Heilands das Zeichen Seiner Liebe sind, so ist auch für den christusgleichen Menschen die Tatsache, am Kreuz teilzunehmen, ein Zeichen von Liebe und erfordert eine Antwort der Liebe.
Auch die Vorträge von Andrea Tornielli und Saverio Gaeta (Journalisten) fügten sich hervorragend in die auf Grund verschiedener Veröffentlichungen über die angeblich künstlich hervorgerufenen Stigmata von Pater Pio derzeitig entstandene Diskussion ein. Mit der für ihren Beruf typischen Bravour und Leichtigkeit sind sie jene Anklage Stück für Stück durchgegangen und haben einerseits sämtliche vorgefassten und nicht dokumentierten Anspielungen widerlegt und andererseits eine Vielzahl von literarischer Resonanz in bezug auf die Stigmata von Pater Pio präsentiert.

Unser Mitbruder Luigi Pellegrini, Historiker für mittelalterliche Geschichte und Gelehrter für die Ursprünge des Franziskanertums, zog am Ende der drei Tage das Fazit dieser Konferenz, indem er auf die Lichtpunkte und die unfehlbaren Schatten und Grenzen einging. Allein die Tatsache, sagte er, dass man vorurteilslos über ein an sich strittiges und kontroverses Thema diskutiert habe, sei positiv zu bewerten. Der Aufruf zur Ethik der Grenzen (sowohl für die Wissenschaft als auch für die Theologie) war seiner Meinung nach mehr als angebracht, vor allem wenn es sich wie in unserem Fall um außergewöhnliche und vielschichtige Phänomene handelt. Ebenso wies er darauf hin, wie die Apologetik oftmals die Oberhand gewonnen habe zu Lasten des unerlässlichen Abstands und der Abwägung aller Positionen (besonders der konträren), wodurch sich die Forschung von Historikern wie auch Wissenschaftlern und Theologen immer von anderen unterscheiden muss. Und schließlich kam nach Meinung von Pater Pellegrino ganz klar die Notwendigkeit zum Ausdruck, Pater Pio tiefer und eingehender zu studieren und ihn von dem stereotypen Bild des Wundermönches, das man ihm aufgezwungen hat, zu befreien.

Eine gelungene Konferenz also? Ich denke, ja!

Die Konfrontation auf der ganzen Linie zwischen den Wissenschaften der Medizin und der Psychologie und die ebenso handfesten hermeneutischen Ansätze der mystischen Theologie und der Geschichte haben vor allem erlaubt, diese mystischen Phänomene nicht zu banalisieren oder ihnen einfach auszuweichen, sondern die Kenntnis der einzigartigen Spiritualität von Pater Pio zu erweitern, dessen mystische Erfahrung zum Vorschein kam mit all ihrer Ursprünglichkeit und ihrem Reichtum, abgesehen von den äußeren Phänomenen wie die Stigmata, die auf seinem spirituellen Weg zwar vorhanden, aber eine wesentlich weniger wichtige Rolle innehatten, als man normalerweise annimmt.

Es wurde ein weiterer Spalt beim Studium über das menschliche und geistige Leben von Pater Pio geöffnet. Viele Fragen warten auf eine umfassendere Antwort, so wie viele Spuren und Hypothesen geprüft und ausgelotet werden müssen. Unabhängig von den verschiedene Meinungen und Interpretationen sowie der Parteilichkeit und Unangemessenheit der einzelnen Hermeneutika erschien es allen offensichtlich, dass wir uns einem wahren „Meister des christlichen Lebens” gegenüber befinden, einem Protagonisten unseres Zeitalters, der sowohl den Gläubigen als auch den Ungläubigen, Wissenschaft und Glauben fesselt, Neugier weckt und Fragen stellt. Wieder einmal trat Pater Pio als ein außergewöhnlicher Mann auf, der alle anzieht und fasziniert!